Mit KI, Purpose und Wellbeing zur starken Arbeitgebermarke

InterviewAdministration

05. August 2025

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„Benefits sind ein wichtiger Hebel für Unternehmen“

Interview mit Tjalf Nienaber über HR-Service-Provider, Transformation, Digitalisierung – und die neue Arbeitswelt

Herr Nienaber, die Unternehmen befinden sich im Transformationsprozess. Auch das Thema HR ist im Wandel. Deshalb holen sich viele Unterstützung von HR Service Providern. Was ist deren Stärke?
Tjalf Nienaber: HR Service Provider sind Dienstleister, die idealerweise die passende Lösung zu den Problemen des Kunden anbieten. Das kann eine Individuallösung sein. Zum Beispiel beim Thema Benefits. Der Anbieter, der Benefitlösungen anbietet, wie beispielsweise Living Bytes, der würde keine E-Learning-Lösung anbieten. Es gibt allerdings auch 360 Grad Organisationsberatungen, die sich ein Problem ganzheitlich anschauen und je nach Strategie und Schwerpunkten des Unternehmens versuchen, es auf ihre Weise zu lösen. HR Service Provider sind externe Dienstleister für die HR Branche.

Ist die Unterstützung für die Unternehmen durch externe Service-Dienstleister ein neuer Trend im HR-Bereich?
TN: Externe Dienstleister gab und gibt es natürlich schon immer, aber die Vielzahl und auch die Differenzierung in der Branche hat exorbitant zugenommen. Nicht zuletzt auch wegen der zahlreichen Gründungen von Start-ups im HR-Bereich. Das hat vor rund 30 Jahren begonnen und ist bis heute unverändert. Jeden Tag entsteht ein neues HR-Start-up irgendwo in Deutschland und auf der Welt. Es gibt sehr viele unterschiedliche Provider, die nischenartige Lösungen anbieten. Das ist neu, das gab es so nicht. Früher waren es eher die klassischen, oldschool-mäßigen Organisations- und Personalberatungen, die mit den Tools der damaligen Zeit die Unternehmen beraten haben.

Das Navigieren durch Krisen bestimmt den Alltag vieler Unternehmen – erst Corona, dann der Ukraine-Krieg, Handelskonflikte, Energiewende, Fachkräftemangel und vieles mehr. Wie wirken sich diese Störfaktoren auf den HR-Bereich der Firmen aus?
TN: Die Unternehmen benötigen heute auf jeden Fall mehr Unterstützung als vor den Krisenzeiten, es sei denn, sie haben sich vorher bereits Skills an Bord geholt. Das gilt aber vor allem für große Konzerne. Für den Mittelstand und den kleineren Mittelstand wäre das überdimensioniert. Wenn die Schritt halten wollen, brauchen sie auf jeden Fall die Beratung von außen. Ein wichtiger Punkt ist dabei auch das Thema Auslagerung. Das gab es früher auch schon, wurde aber wie eine heiße Klartoffel angefasst. Das Wort Outsourcing hören Personaler nicht gern, weil schnell klar wird, wie die Kostenstrukturen im Unternehmen sind und sie befürchten, dass sie sich irgendwann selbst outsourcen. Denn im Idealfall ist eine externe Beratung kostengünstiger.

Wie können die Service Provider die Firmen bei der Transformation unterstützen?
TN: Zuerst einmal muss die Strategie des Unternehmens klar sein. HR kann ja ebenso wie die anderen Fachabteilungen nicht an der Unternehmensstrategie vorbeiarbeiten, sondern es muss klar sein, wo man hinwill. Wenn es beispielsweise die Ansage gibt, dass alles, was zu digitalisieren ist, digitalisiert werden soll, dann hat der HR-Bereich einen klaren Auftrag und muss eine eigene Strategie entwickeln, womit man starten will.

Wie könnte eine HR-Strategie aussehen?
TN: Als HRler suche ich mir idealerweise den Bereich aus, bei dem ich die Mitarbeiter am besten mitnehmen kann. Wo ich die größte Wertschöpfung fürs Unternehmen erzielen kann.

Der HR-Bereich muss viele Wünsche und Forderungen der Mitarbeiter berücksichtigen. Worauf kommt es vor allem an?
TN: Alle Mitarbeiter sind unterschiedlich und ihre Lebensphasen verändern sich. Man wird beispielsweise Familienvater oder Mutter und damit verändert sich eine Menge. Wenn das Unternehmen darauf reagieren kann und dieser Person eine entsprechende Umgebung anbieten kann, etwa Remote Work, eine Kita in der Company oder entsprechende Angebote, damit das Kind betreut werden kann, dann ist das für den Mitarbeiter in dieser Lebensphase ein großer Benefit, bei dem Unternehmen zu bleiben. Es ist wichtig, dass das Unternehmen mit der neuen Situation nicht kritisch, sondern konstruktiv und positiv umgeht.

Wie wichtig sind Benefits für Mitarbeiterbindung und Arbeitgeberattraktivität?
TN: Das ist eine gute Frage. Es ist, wie vieles andere, noch nicht bei jedem Unternehmen angekommen, dass das im Moment einer der wichtigsten Hebel ist, um Mitarbeiter zu binden. Wenn vor 20 Jahren Mitarbeiter ausgeschieden sind, dann war das kein großes Problem. Es wurde eine Stelle ausgeschrieben und aus den Bewerbungen wurde eine Person ausgewählt, die den vorherigen Mitarbeiter ersetzte. Damals wurde keine Rechnung darüber aufgemacht, was es eigentlich kostet, wenn ein Mitarbeiter ein Unternehmen verlässt. Er nimmt Wissen mit, das er woanders reingibt – schlechtestenfalls beim Mitbewerber. Aber man muss jemanden auch wieder neu anlernen. Das ist wie eine Maschine, die muss auch erst einmal eingearbeitet werden. Und es kann schon mal in die tiefen Zehntausende gehen, bis diese Person produktiv wird. Das können sich Unternehmen, gerade im Mittelstand, aber vor allem auch kleinere Unternehmen, praktisch nicht leisten.

Wie kann KI helfen, die Unternehmen im HR-Bereich zu unterstützen?
TN: Wenn Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, geht eine Menge Know-how verloren. Es kann Monate oder Jahre dauern, bis ein neuer Mitarbeiter das Level seines Vorgängers erreicht. Und das gehört auch zum Thema Transformation, dass ich es schaffe, das Wissen des Mitarbeiters, und zwar eines jeden Mitarbeiters, der heute im Unternehmen ist, quasi permanent zu protokollieren, zu checken und es so zu erhalten. Dann ist es zwar immer noch schlimm genug, wenn ein Mitarbeiter ein Unternehmen ungeplant verlässt, aber dann habe ich das Wissen zumindest im Unternehmen behalten. Denn: Wissen ist Macht, und wer gibt schon gerne seine Macht auf. Deshalb bin ich der Meinung, dass es eine der wichtigsten Aufgaben der HR ist, zu schauen, wie sie das Wissen des Unternehmens und der einzelnen Personen für die Firma erhalten.

Wie läuft das in der Praxis?
TN: Das läuft, bis auf wenige Ausnahmen, noch nicht gut. Dabei ist das Protokollieren des Mitarbeiterwissens ein Wunschtraum jedes HRlers. Mit den neuen Technologien ist auch die Akzeptanz gestiegen, dass Mitarbeiter ihr Wissen mit Hilfe der KI protokollieren. Die KI kann die Arbeitsprozesse begleiten und sie kann auch Optimierungsvorschläge machen. Und man kann mit der KI die Arbeit eines Mitarbeiters in einer gesonderten Datei festhalten, für den Fall, dass er irgendwann nicht mehr im Unternehmen ist.

Was kann die KI im HR-Bereich zukünftig außerdem leisten?
TN: KI wird viele Aufgaben übernehmen. Ein Beispiel ist das Thema Personalakten oder Gehaltsabrechnung. Das wird in Zukunft die KI erledigen. Wenn der Mitarbeiter eine Frage zu seinem Gehalt hat oder zu Urlaubsregelungen, zu Modifikationen, zu Autokonditionen und so weiter, steht die KI viel genauer und schneller zur Verfügung. Er tippt die Fragen in den Rechner ein und erhält in Sekundenschnelle die passende Antwort. Dafür brauche ich den Personalmitarbeiter zukünftig nicht mehr. Alles, was mit Zahlen und Daten zu tun hat, kann die KI deutlich schneller, deutlich besser, deutlich genauer erledigen. Ein weiteres Beispiel ist das Thema Recruiting. Ich kann als Bewerber 24/7 auf eine Website gehen und mit einem virtuellen Mitarbeiter chatten. Ich sehe einen Menschen und er unterhält sich mit mir wie ein Mensch, aber es ist die KI. Die gibt mir jederzeit die Antworten, die ich für die ersten Informationen brauche. Nach dem Motto: Ich suche einen Arbeitsplatz in Hamburg als IT-Informatiker, könnt ihr mir etwas anbieten? Das kann die KI natürlich sofort beantworten. Die KI kann ebenso beim Onboarding und Learning unterstützen. Da sehe ich ein großes Potenzial.

Und wo bleiben die Menschen, die bisher diese Aufgaben erledigt haben?
TN: Schon früher gab es die Sorge, was die ganzen Arbeiter machen sollten, die durch Maschinen ersetzt wurden. Dann kam die Elektrifizierung, das Internet und demnächst wird alles digital und viele haben Sorge, dass sie zukünftig nicht mehr gebraucht werden. Diese Angst kann man den Leuten nehmen. Die Wahrheit ist, dass es immer mehr Jobs gibt. Es entstehen neue Berufe in dieser Welt und auf dem Markt. Natürlich müssen sich die Menschen auch weiter entwickeln und andere Jobs machen, aber die Geschichte hat gezeigt, dass immer wieder neue Berufe und somit auch mehr Arbeit entstanden sind.

Die Mitarbeiter machen sich Gedanken, wie sie sich für das Unternehmen einbringen können, wie sie sinnvolle Arbeit leisten können. Sind sie anspruchsvoller geworden?
TN: Zum einen sind alle durch das Internet viel aufgeklärter. Da wird recherchiert, was einem zusteht, was man vom Arbeitgeber erwarten kann. Sie haben Benchmarks zu anderen Unternehmen. Auf Bewertungsplattformen wie kununu sehen sie, wie es woanders läuft. Das zweite große Thema ist Green HR und sinnstiftendes Arbeiten. Genau diese Themen fordert die neue Generation vehement ein. Das ist für mich ein großer Crash of Culture. Früher hat man Auszubildende als billige Arbeitskräfte im Unternehmen gehabt. Heute sind sie die nächsten neuen Mitarbeiter, die man über zwei, drei Jahre gut ausgebildet hat. Aber sie haben eine ganz andere Haltung zum Klima, zur Führung, zur Arbeit an sich. Viele stellen Fragen wie: Was trägt das Unternehmen dazu bei, um die Welt besser zu machen? Oder wie stark ist der grüne Fußabdruck? Und wenn das Unternehmen darauf keine Antworten hat, dann geht der zu dem Unternehmen, das darauf Antwort bietet.

Die Bandbreite der Benefits ist sehr groß. Welche sind den Beschäftigten heute besonders wichtig?
TN: Je nachdem, wo ich arbeite, würde ich durchaus unterschiedliche Benefits erwarten und wollen. Das Thema Gesundheit ist extrem wichtig. Wellbeing, Mobilität und Ernährung ebenfalls. Auch finanzielle Benefits wie die betriebliche Altersvorsorge zählen dazu, ebenso wie Bonuszahlung, Aktienoptionen oder Zuschüsse. Ein großer Benefit ist auch das Thema Work-Life-Balance, flexible Arbeitszeiten, Remote Work oder Workation. Natürlich auch persönliche Entwicklung, Coaching und Mentorik. Es gibt viele Möglichkeiten, die individuellen Wünsche der Mitarbeiter zu erfüllen. Das steht und fällt auch damit, was sich das Unternehmen leisten kann.

Die Anforderungen an die Unternehmen im HR-Bereich steigen und sie sind extrem vielfältig. Welche Tools müssen die HR-Service-Provider entwickeln, um die HR-Bereiche fit zu machen für die neue Generation von Mitarbeitern?
TN: Viele Organisationsberatungen sind stehen geblieben, arbeiten immer noch mit den Tools von gestern, statt sich Gedanken zu machen, wohin die Reise im Allgemeinen und insbesondere in Deutschland geht. Sie müssen selbstverständlich mit den Tools umgehen können, die jetzt in Unternehmen eingesetzt werden oder eingesetzt werden sollten. Sie müssen sie nicht im Detail beherrschen, aber sie müssen wissen, wovon die Unternehmen sprechen. Ich berate HR Service Provider und ich muss mich ständig sehr genau umschauen, um zu wissen, welche neueren, aber auch bewährten Möglichkeiten es am Markt gibt. Wenn ich in einer Organisationsberatung bin, dann muss ich sehr genau Bescheid wissen, welche E-Learning-Plattformen und Module es gibt oder welche anderen Technologien auf dem Markt sind. Darauf müssen sich die HR-Service Provider einstellen und natürlich auch ihre Mitarbeiter fit machen.

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